Geschichte vermitteln aus Leidenschaft


Geboren wurde ich in einer Zeit des Sozialismus- in einem Land, das heute nur noch in Geschichtsbüchern und den Erinnerungen der "älteren" Menschen zu finden und vor allem für seine Grenzen der Freiheit bekannt ist- die DDR.

 

Aber eigentlich wuchs ich binational auf- denn die Sorben sind eine eigenständige Nation innerhalb Deutschlands. Das klingt heutzutage sehr modern, war allerdings für meine Vorfahren in den letzten Jahrhunderten nicht immer so selbstverständlich, denn seit dem 16. Jh. hat man die Sorben immer wieder totgesagt und versucht, ihre Sprache, Kultur und Eigenarten auszurotten, einzudeutschen und am liebsten ganz vergessen zu machen. Auf subtile Art schafften wir uns fast selbst ab, als meine Generation nach 1990 die große, weite Welt entdecken konnte. 

  

Vom Studium zum AHA-Moment...

 

Mich zog es zum Studium an die TU Dresden. Landschaftsarchitektur (mit der Hoffnung auf eine neue Wertschätzung der Friedhöfe Sachsens und ihrer reichhaltigen Geschichte), Sächsische Landesgeschichte, Mittelalterliche Geschichte sowie Kunstgeschichte sollten mich die nächsten Jahre fernab der Lausitz beschäftigen. 

 

Der Schlüsselmoment für meinen heutigen Berufsweg war eine Führung, die ich im Rahmen der Landesgeschichte für meine Mitstudenten zum Thema "Großer Garten Dresden" durchführen dürfte. Ich gehörte zwar nie zu den "leisesten" Zeitgenossen- schon immer wusste ich mich stimmlich durchzusetzen- doch vor Publikum mein erarbeitetes Wissen zu vermitteln war mir nie in den Sinn gekommen. Doch andere Menschen sahen mich immer wieder genau da- meine Mitstudenten glaubten mir nicht, das ich zum ersten Mal eine Führung gegeben hätte, Freunde prognostizierten mir eine Zukunft, in der ich Touristengruppen durch Dresden lotsen würde. 

  

Als im Jahre 2005 dann eine Gästeführer-Ausbildung bei der IHK in Dresden angeboten wurde, nutzte ich diese Chance und spätestens danach war klar, das für mich nur eine Tätigkeit als Gästeführerin in Frage kam. Als Autodidaktin merkte ich allerdings auch, das eine Weiterführung des Studiums nur verschenkte Zeit und vergeudete Energie für mich wäre. Der Sprung ins kalte Wasser- von der Studentin zur Selbstständigen- mußte einfach sein. Etwas zu riskieren- auch auf die Gefahr des Scheiterns hin- kein Problem für mich, schließlich hatte ich im Leben schon Schlimmeres erlebt... (Zu diesem Thema habe ich mich hier einmal mit ganz persönlichem Bezug geäußert- das ist die andere Susi, welche sehr lange für den Text auf der Webseite meiner langjährigen Freundin Jana brauchte...).

 

Gästeführerin seit 2006

 

Seit April 2006 bin ich selbstständige Gästeführerin mit Schwerpunkt Dresden. Meine ersten Gäste begrüßten mich mit den Worten: "Es müssen nicht so viele Daten sein..." - da hatte ich mich noch nicht einmal vorgestellt. Also gut- weniger Daten, mehr Anekdoten, geschichtliche Zusammenhänge. Gästeführer sind auch Entertainer, Schauspieler- oder Historiker, das hängt ganz vom Publikum ab. Gerade die Flexibilität, mit der ich an die nächste Führung gehe und der Optimismus, das es immer mindestens einen netten Gast geben wird (auch bei Schülergruppen!) helfen mir ungemein, auch das mieseste Wetter, das lauteste Stadtfest oder die schlechteste Vorplanung externer Anbieter zu meistern.

 

Auch nach 17 Jahren liebe ich genau diese flexible Arbeit und konnte mir vor allem in einem Bereich Bekanntheit bei so einigen touristischen Anbietern verschaffen: mich bringt man nicht gleich aus der Fassung, und irgendwie kriegen wir das schon pünktlich hin... da ich diese Einschätzung meiner Person schon tausende Male gehört habe, muß wohl was dran sein.

 

2013 fand sich dann eine kleine Gruppe Dresdner Gästeführer zusammen, welche die DinEU-Zertifizierung für Gästeführer (BVGD-Zertifikat DIN EN 15565) erlangen wollten. Ich nutzte erneut die Chance und kann nun mit ein klein wenig Stolz sagen: besser geht es im Sinne der Ausbildung zum Gästeführer nicht, auch wenn dieses Zertifikat nur wenigen bekannt ist. Gerade die Soft Skills sowie die Sensibilisierung, die wir für uns selbst und unseren eigenen Stimmerhalt, aber auch die eigene mentale Stärke, eben nicht nur "Dienstleister" zu sein, hier erfuhren, hilft mir bis heute im manchmal stressigen Führungsalltag.

 

Dresdenwalks

 

Das man als Gästeführerin nicht nur Einzelkämpferin sein muss konnte ich 10 Jahre lang als Teammitglied von DresdenWalks erfahren. Wir boten tägliche öffentliche Rundgänge in englischer und auch deutscher Sprache mit dem Fokus auf die individuelle und unterhaltsame Vermittlung an. Als kleines Unternehmen einiger befreundeter Gästeführerinnen gestartet, wurde die Firma über die Jahre zum führenden Anbieter englischer öffentlicher Rundgänge in Dresden mit hohem Bekanntheitswert.

 

Ich übernahm gern den Part des Online-Marketings und der Webseiten-Gestaltung, hatte ich darin doch schon eine gewisse Erfahrung mit meiner damaligen eigenen Webseite. Menschen entwickeln sich weiter und manch ein Projekt ist nach 10 Jahren nicht mehr das, was es mal war. Auch der Tourismus hatte sich durch die Pandemie stark verändert, und so übernahm ich Dresdenwalks, um es letztendlich zum Abschluss zu bringen, Stammkunden einen Ansprechpartner zu bieten und letztlich neue Wege zu gehen.

 

Zurück zu den eigenen Wurzeln - dank Pandemie

 

Es hätte alles gut weitergehen können. Aber wir leben nicht im Märchen, und wenn es der Menschheit zu gut geht, bekommt sie einen Virus geliefert. Die Geschichte kennen wir nun alle, jeder mußte auf seine Weise einen Weg durch Lockdowns, Arbeitsverbote, einbrechende Tourismuszahlen etc. finden. 2 Wochen Lockdown und es wurde mir langweilig! Ich landete auf den Friedhöfen der Stadt Dresden, um wenigstens an die frische Luft zu kommen. Parallel dazu fing ich an zu lesen. Allerdings keine Romane, sondern Fachliteratur zur Bestattungskultur, Seuchen und Medizingeschichte. Zu Mythen, Brauchtum, sächsischer Geschichte und allem, was mir die Corona-Richtlinien der Slub erlaubten. 

Die Folge: ich gestaltete meine Webseite grundlegend neu, teilte der Welt (die das wohl nie lesen würde, weil die Seite keiner kannte) meine neuen Erkenntnisse mit und verfing mich auch immer mehr im sorbischen Brauchtum und den slawischen "Göttinnen".

 

Plötzlich meldeten sich Menschen bei mir, die diese Texte lasen- unter anderem auch ein Genealoge, der meine Meinung zu Krabat und einigen Dingen wissen wollte. Und hier beginnt ein neues Kapitel, welches Sie in seiner Entstehung mitverfolgen, wenn Sie die einzelnen Blogartikel lesen. Wenn es in letzter Zeit etwas sehr ruhig hier ist, dann liegt das nicht daran, das ich nicht mehr da wäre... 

 

All die verrückten und spannenden Dinge, die derzeit passieren und meine Zukunft beeinflussen haben ihren Ursprung in dieser kleinen Lebensgeschichte, die Sie nun von mir kennen. Nichts ist Zufall. Aber ohne den Mut, etwas Neues zu beginnen, wäre ich nicht an diesem Punkt, der mich wieder zu meinen Wurzeln in der sorbischen Lausitz führt. Meine Generation zog aus, um die Welt zu sehen und zu lernen, was es außer unserer sorbischen Kultur und dem überwundenen Sozialismus noch gibt. Nach 17 Jahren im Austausch mit internationalen Gästen ist mir eines bewusst geworden: die wirklich unbekannte Welt liegt in uns und unserer eigenen Heimat und wartet nur darauf, erforscht zu werden!