Klein- Gudrun Fiebiger


Die Geschichte der Kindergräber hat im Laufe der Jahrhunderte viele Stufen durchlaufen, und es wird ein eigenes, ernsteres Thema sein, diesen Umgang mit dem Verlust der kleinen Seelen in der Geschichte zu beleuchten. Dieses besondere Grabmal befindet sich auf dem Inneren Neustädter Friedhof.

 

Klein-Gudrun hat meine Aufmerksamkeit erregt durch einen wunderschönen Spruch, den ich vorher noch nie auf einem Grabstein gelesen habe. 

 

"Und was weint ihr Vater und Mutter, um mich? 

In einem viel schoeneren Garten bin ich."

Eichendorff

 

Über der Kinderfigur steht geschrieben:

 

Schwer ist die Trennung des Herzens

 

Unter dem Spruch lautet die Inschrift:

 

Hier schlaeft unser herziger Liebling

Klein-Gudrun Fiebiger

geb. d. 5.8.1912  gest. d.5.12.1916

 


Ein Totengedicht in der pulsierenden Neustadt

 

Eichendorff als Schriftsteller kenne ich aus der Schulzeit. Er war Romantiker, gehörte also einer Epoche an, die von Sehnsucht, Naturgefühl und Melancholie regelrecht lebte. Aber für Eichendorff war es mehr - persönlicher.

Eine kurze Recherche ergibt, das dieser Spruch aus einem Gedicht stammt. Und das dies nicht das einzige Gedicht zum Thema Kindstod von ihm ist. Er selbst hatte 5 Kinder, verlor aber 2 davon schon viel zu früh. Und Eichendorff tut, was ganz natürlich ist. Er verarbeitet den Schmerz auf seine Art. Die mannigfaltigen Angebote der Psychotherapie und die Alternativen Heilmethoden, aus denen wir heute schöpfen können verdanken wir erst den Generationen nach ihm.

 

Irgendwie muss dieses Grab -genau so, wie es ist - in dieser Äußeren Neustadt stehen. Der Stadtteil mit all diesen Graffitis. Dem Nachtleben. Den Kneipen und dem Lärm. Den Menschen, die hier leben - lebensfroh und familiär. Und zugleich kommen sie mir persönlich immer wie die alten Romantiker vor. Sie sind die Träumer, die Poeten Dresdens. In ihrer eigenen, modernen Art. Immer ein wenig verfallen, immer ein wenig der letzten Nacht hinterher. Ein wenig verkatert am Tag nach der Feier des Lebens.

 

Es ist der Stadtteil der Jungen Dresdner, der Altersdurchschnitt entspricht dem sichtbaren Stadtbild. Spielplätze, eine Jugendfarm, hippe Läden und Wohnungen voller Kinderlachen. Ein lebendes, pulsierendes Viertel.

 

Und dann ist da dieser Friedhof mit seinen barocken Sandsteinfiguren. Den Totenschädeln. Dem Memento Mori der Jahrhunderte und dem Efeu und der Natur, die sich diesen Freiraum zurück erobert. Der Verfall an allen Ecken, die Denkmäler bedroht vom Zahn der Zeit. Hier fällt es mir mehr auf als auf anderen Dresdner Friedhöfen.

 

Ist das vielleicht die Seele der Äußeren Neustadt? Dieses opulente Strahlen und letztendlich doch nur sterblich sein? Ist die Neustadt mehr Barock, als es ihr selbst bewusst ist?

 

"Media vita in morte sumus"

(Mitten im Leben sind wir im Tode)

 

 

  


Zur Figur: Sie wurde von Rudolph Hölbe geschaffen, einem Mitarbeiter von Johannes Schilling.