Das sorbische Kulturlexikon online- Sorabicon
Immer wieder erhalte ich Anfragen, wo man denn mehr erfahren könnte zu den Sorben- welche Literatur ich empfehle. Das ist nicht immer so einfach, denn nicht alles, was ich lese, ist so übersichtlich, das es für jeden Leser auch spannend wäre- und manchmal ist es eben die Kombination aus Wissen, Erfahrung und "über Eck" Gedachtem, was die Lösung bringt.
Für Alle, die sich für die sorbische Kultur interessieren und wirklich fundierte Informationen suchen, empfehle ich zum Einstieg die Online-Version des Sorbischen Kulturlexikons. Auch die gedruckte Form beeindruckt natürlich mit ihrer Tiefe und den Details, in Zeiten der Digitalisierung und der "Home-Office-Recherchen" ist die kostenlose Online-Version natürlich ein Segen... und wer den Quellenangaben in den einzelnen Artikeln folgt, kann sehr viel mehr entdecken.
Zur Geschichte der Sorben, Wenden und anderer Slawischer Stämme
Franz Tetzner: Die Slawen in Deutschland. Beiträge Zur Volkskunde Der Preussen, Litaurer Und Letten, Der Masuren Und Philipponen, Der Tschechen, Mährer Und Sorben, Polaben Und Slowinzen, Kaschuben Und Polen.
Erstveröffentlichung 1902, diverse Neudrucke verfügbar, u.a. für wenige Euro als Google-Book online.
Dieses Buch ist eine der umfangreichsten Quellen zur Volkskunst der slawischen Völker im deutschsprachigen Raum. Von Volksliedern bis zur lokalen Baukunst, Totenbräuchen und Dorfformen- durch seine Entstehungszeit vor über 100 Jahren bietet es eine regelrechte Blase der Geschichte, die man heute so nicht mehr lebendig findet. Gerade, wenn es um die Herleitung alter Bräuche geht, die heute nicht mehr verstanden werden, ist das Buch eine wirkliche Entdeckung. Zahlreiche Zeichnungen zu Architektur, Tracht und Verbreitungsgebieten machen eine teils vergessene Welt wieder lebendig.
Zur regionalen Architektur, Baugeschichte und Volkskunst mit Fokus auf den ländlichen, auch sorbischen Raum
Manfred Hammer: Bauernhäuser Bauernhöfe Dörfer. Historisch und baulich wertvolle Gebäude und Dorfanlagen im Altkreis Kamenz. Band 8. Dresden 2009. Aus der Reihe: Bauernhäuser, Bauernhöfe, Dörfer in sächsischen Landkreisen
Dieses Buch ist nicht nur für Architektur-Interessierte geschrieben, sondern zeigt vor allem für den Hoyerswerdaer Raum eine fast vergessene Geschichte des Schrotholzhauses und den Wandel im 19.Jh. hin zu den großen Dreiseithöfen in Klinkerbauweise oder aber die moderne Überformung auf. Der Autor zeigt anhand alter Fotos und seiner Forschungsergebnisse, die in ihrer Gesamtheit so wohl noch nie zuvor erfasst wurden, welchen dramatischen Wandel und somit auch welches Vergessen das letzte Jahrhundert in der Region hinterlassen hat. Interessant im Hinblick auf das Krabatdorf Schwarzkollm ist die Vorstellung des Einzelobjektes "Alte Krabatmühle" ab Seite 98. Hier ist auch ein Interview mit Frau Helga Petschick aus der Mühlenfamilie abgedruckt, welches die Stilllegung der Mühle und die baulichen Veränderungen aufzeigt.
Leider ist das Buch vergriffen und kann nur noch in Bibliotheken wie der SLUB ausgeliehen werden.
Sächsischer Verein für Volksbauweise e.V. (Hrsg.): Umgebinde. Eine einzigartige Bauweise im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. Die Blauen Bücher 2007.
Wer schon einmal im Oberlausitzer Bergland oder aber dem Dreiländer-Eck unterwegs war, der konnte die Bauweise des Umgebindehauses einfach nicht übersehen. Seit Jahren zeige ich meinen Gästen auf speziellen Touren durch die Oberlausitz den Denkmalort Obercunnersdorf. Was es architektonisch mit diesen regionalen, heute meist wieder märchenhaft restaurierten Gebäuden auf sich hat können Sie in diesem bildreichen Fachbuch entdecken. Vielleicht auch eine schöne Anregung für die nächste Urlaubsplanung, von Dresden aus ist ein Tagesausflug zur Brüdergemeine Herrnhut und die umliegenden Dörfer sehr zu empfehlen.
Rolf Langematz, Paul Nedo: Sorbische Volkskunst. VEB Domowina-Verlag Bautzen. 1968
Ein Buch aus den tiefsten DDR-Zeiten? Ist das nicht politisch motiviert und heute überholt? In den letzten Jahrzehnten begegneten mir oft solche Grundhaltungen. Was vor 1990 in Ostdeutschland geschrieben wurde kann nicht den modernen, weltoffenen Vorstellungen entsprechen. Und ja, es gibt genügend Beispiele, wo selbst das sorbische Osterei instrumentalisiert wurde.
Die Sorbische Kultur entwickelte sich allerdings immer unter den gegebenen politischen Verhältnissen und trotz dieser "Gleichschaltung" als eigenständige Kultur. Gerade diese Abgeschlossenheit als kleine, gehegte Randgruppe mit Folklore-Vorzeige-Charakter hat Vieles erhalten, was andern Ortes der Moderne zum Opfer fiel. So ist dieses Buch wie eine Zeitreise in eine Welt, die für heutige Verhältnisse weit weg erscheint- allerdings in vielen Details noch den Lebensalltag der Sorben um 1970, und teilweise sogar bis 1989 vermittelt. Wer sich für sorbische Trachten, die Bedeutung und Symbolik einzelner Elemente oder aber das tägliche Lebensumfeld dieser Minderheit interessiert, der sollte den Blick in dieses Relikt einer anderen politischen Zeit nicht scheuen. Überlesen Sie doch einfach die sozialistisch anmutende Wortwahl und tauchen Sie ein in die Lebenswelt, nach der Sie doch eigentlich suchen- denn Sorben waren nun einmal immer Bauern und Ackerbürger mit engen sozialen Bindungen und nicht die Feudalherren der kapitalistischen Großstadt...
Eberhard Deutschmann: Lausitzer Holzbaukunst unter besonderer Würdigung des sorbischen Anteils. VEB Domowina-Verlag Bautzen 1959
Dieses Buch ist das klassische Nachschlagewerk zur speziellen Sorbischen- (heute vor allem nur noch im Spreewald bekannten) und Umgebinde-Bauweise die heute vor allem im Oberlausitzer Bergland zu finden ist. Aber auch die Heidelandschaft um Hoyerswerda und ihre (ehemaligen) Bauten sind vertreten. Wer sich für das Leben der früheren Zeiten interessiert ist hier richtig- die Entwicklung der Feuerstätten, Aussehen der "Küche" sowie anderer Bereiche werden anhand vieler historischer Fotos und Zeichnungen erläutert. Falls Sie irgendwann einmal einen historisch korrekten Vierseithof in Blockbauweise (und nicht in der Klinkerbauweise der "jüngeren Zeit") bauen möchten, finden Sie hier Anregungen...
Wie es mit Klassikern ist- schätzen Sie sich glücklich, wenn Sie es irgendwo einmal im Antiquariat erspähen... oder aber sie schauen mal bei den größeren Bibliotheken vorbei, sowohl die Städtischen Bibliotheken Dresden als auch die Slub haben das Buch in der Sammlung.
Zu Lebensgeschichten und Historischen Entwicklungen in der Lausitz
Hrsg. Frauenzentrum Cottbus e.V. : Hexe. Dame. Königin. Frauen der Niederlausitz im Zeitbogen eines Jahrtausends. Regia Verlag Cottbus 2003
Erst seit wenigen Jahrzehnten findet die Gleichberechtigung der Frauen auch in der Forschungsliteratur statt. Sehr lange schien Geschichte nur von Männern und über Männer geschrieben worden zu sein. Um so erfreulicher ist es, das nun auch die Leistungen und Verdienste von Frauen aus der Cottbuser Region im Rahmen eines ganzen Jahrtausends gewürdigt werden. Das Cottbuser Frauenzentrum als Herausgeber stellt in diesem recht kleinen, jedoch sehr interessanten Buch besondere Frauen vor, die eben nicht den einfachsten Weg gingen. Die aufgrund ihres Wissens, ihres Engagements oder einfach nur aufgrund ihrer Leistungen nicht immer in das jeweils aktuelle Weltbild passten. Gerade auch das letzte Jahrhundert bietet einige Überraschungen, welche leider nicht immer ein gutes Ende haben und zeigen, warum es so wichtig ist, genau diese Geschichten zu erzählen.
Mich berührte vor allem die Lebensgeschichte von Pawlina Krawcowa zutiefst, denn ich hätte es nie für möglich gehalten, das sich einstmals das nationalsozialistische Regime sogar von wendischen Puppen bedroht fühlte...
Ulf Jakob: Zeitmaschine Lausitz. Zwischen Autobahn und Heide Das Lausitzbild im Dritten Reich. Eine Studie zur Entstehung, Ideologie und Funktion symbolischer Sinnwelten
Anlässlich der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land im Jahre 2003/04 entstand die 10-bändige Buchreihe "Zeitmaschine Lausitz". Die Reihe behandelt ganz unterschiedliche Themen mit Bezug auf diesen Teil der Lausitz, welche oftmals eine ganz neue Sichtweise ermöglichen oder aber bisher gänzlich unbeachtete Aspekte der Regionalgeschichte thematisieren.
Ulf Jakob geht in seinem Buch speziell auf den Aspekt der Propaganda und Kulturpolitik des Nationalregimes und die Widersprüche ein, welche die Existenz der sorbischen/wendischen Kultur in der Region hervorbrachte und wie auf teils absurde Weise germanisiert wurde, wo es nur ging. Spannend vor allem auch zu lesen, welche Langzeitfolgen-bis in die heutige Zeit-die "Kraftbahnstrassen" nicht nur in der Lausitz für unser Verständnis von Wegen, Zeit und Nähe hatten und wie selbst die Autobahn propagandistisch genutzt wurde um "typisch deutsche" Landschaften zu vermitteln. Dabei lädt das Buch förmlich dazu ein, das Nationalregime auf seinen Geisteszustand zu hinterfragen- wer käme schon auf die Idee, die Kiefernwälder der Region als "nicht deutsch genug" einzustufen und sich Gedanken darüber zu machen, wie man daraus "DEN deutschen Wald" zaubert?