Verschwundene Friedhöfe in Dresden und Sachsen


Was sind verschwundene Friedhöfe? Logisch erscheint es, das dies Stillgelegte Friedhöfe sind, die aufgrund städtischer Bauplanungen nicht mehr aktuell waren, die überfüllt waren oder aus hygienischen Gründen aus der engen Innenstadt weichen mussten. Wer sich mit der Stadtgeschichte von Dresden beschäftigt vermeint zu wissen, wovon ich spreche. Jeder Gästeführer könnte Ihnen ein paar Worte zum ehemaligen Friedhof an der Frauenkirche erzählen. Dieser musste für den Neubau der Kirche im Zeitalter des Barock, aber auch aus hygienischen Gründen weichen. Er ist der wohl bekannteste verschwundene Friedhof von Dresden. Aber ist er der Einzige?

 

Ich könnte mit meinen Kollegen Wetten abschließen- kein Gästeführer könnte alle Dresdner verschwundenen Friedhöfe nennen! Und das ist keine Kritik- denn letztendlich ist es wohl Fachwissen, das den "normalen" Gast, aber auch den Gästeführer vielleicht nicht so sehr interessiert wie die Dresdner Kunstsammlungen. Da ich allerdings beschlossen habe, den Teil der Geschichte meiner Region zu beleuchten, der eben im Zwischenlicht versteckt ist- an den sich nur wenige "herantrauen"- auch aus Gründen der Erziehung der letzten Jahrzehnte zum Vermeiden des Themas- hat mir das Thema, wo "Dresden seine Leichen im Keller" (oder eben in der Erde) hat, keine Ruhe mehr gelassen. 

 

Das Ergebnis war oftmals erschütternd, aber auch faszinierend. Wohl kaum einem Dresdner ist bewusst, wie oft er über ehemalige Friedhöfe der Stadt läuft! Wieviel Geschichte an Stellen zu finden ist, die wir heute oftmals als kleine Parkanlagen oder "Niemandsland" wahrnehmen. Es scheint eine Art ungeschriebenes Gesetz zu sein- oder ist es ein Instinkt, von dem wir gar nichts wissen? - niemand will auf ehemaligen Friedhöfen wohnen! In der Stadt Dresden steht an fast keinem ehemaligen Ort der Toten (die ich bisher fand) heute ein Wohnhaus oder ein großer Gebäudekomplex der den Ort völlig "verbauen" würde. Die einzigen Gebäude, die ich fand, sind Garagen, eine Kirche, eine Verwaltung und eine moderne Schule. 

In einer Stadt, in der nun wirklich jede kleine Ecke mit weiteren Immobilien bepflastert wird ist es anscheinend eine Frage der Zeit, bis sich das ändert- oder doch nicht?

 

Viele der ehemaligen Friedhöfe sind heute vor allem eines: Erholungsort für die Lebenden! Und manchmal hat man das Gefühl, das die "Wertigkeit" der Toten von einst auf den heutigen Ort übergesprungen ist. Die Gräber der Armen sind uns heute nur den Parkplatz fürs Auto wert. Über den Gräbern der Bürgerlichen finden sich heute Parkanlagen für den Dresdner Bürger. Und über die Gräber der ganz Noblen lassen wir heute unsere Touristen flanieren und zeigen ihnen den Reichtum der Elbmetropole! Ist das nur Zufall?

 

Mein Ansinnen war es, Dresden zu beleuchten- als meine Heimatstadt. Hier ist die Quellenlage recht gut und andere Autoren machen es relativ leicht, die Orte zu identifizieren. Mein Plan wurde plötzlich gekippt, als ich mich mit der Stadt Meißen beschäftigte. Denn plötzlich tauchte da ein riesiges Fragezeichen auf. Wo hat Meißen denn all seine "Leichen in der Erde", um bei dem Gleichnis mit dem bewusst Versteckten im Keller zu bleiben? Hier stimmt etwas nicht! Was es ist und welche Entdeckung ich machte, die so anscheinend keinem Historiker bisher etwas Tinte oder Tastaturbedienung wert war, erfahren Sie nun also auch hier.

 

Für mich ist es faszinierend zu wissen, was aus all den Menschen wurde, die einstmals lebten und über deren Gräber wir heute eilen. Manchmal können die verschwundenen Friedhöfe mit ihrer Geschichte sogar spannender sein als diejenigen, die wir heute noch im Stadtbild wahrnehmen- weil sie eben genau den Ort prägten, den wir heute als Lebende so selbstverständlich hinnehmen. Und auch, so zeigt es die Archäologie- weil diese Orte oftmals das Letzte sind, das uns unsere eigene Menschheitsgeschichte erklären kann. Warum sonst faszinieren uns alte Hünengräber, steinzeitliche Gräberfelder und Pyramiden? Es sind die Gräber, die vom einstigen Leben erzählen und uns so letztendlich das Leben von einst wieder erleben lassen. 

 


Frauenkirchhof und Grabanlagen in der alten Frauenkirche

ehem. Lage: Neumarkt/Frauenkirche

gegründet: ca. 10. Jh

Säkularisation: 1727

Besonderheit: Totenkronen-Funde bei Bau der Tiefgarage und Frauenkirche

Frauenkirche Dresden Bild: Susann Wuschko

Friedhof um die Sophienkirche sowie Gruftanlagen in der Kirche

ehem. Lage: Kleine Brüdergasse

gegründet: 

Säkularisation: 1819

Besonderheit: Grablege der Wettiner (Angehörige)


Rabenstein und Schindanger in der Wilsdruffer Vorstadt

ehem. Lage: zwischen Palmstrasse (ehem. Hundsgasse) und Freiberger Platz


Armenbegräbnis im Garten des Jakobsspitals

ehem. Lage: Jakobsgasse/ Am See

gegründet: Nachtherberge für arme Reisende ab 1455

Abriss der Zwangsarbeitsanstalt: 1859


1. Annenfriedhof

ehem. Lage: bei Annenkirche

gegründet: 1578

Säkularisation: 1828


2. Annenfriedhof

ehem. Lage: heutiger Sternplatz

gegründet: 1712

Säkularisation: 1914

Besonderheit: Friedhof für alle Scharfrichter Dresdens, anderer überlieferter Name: Josephinenfriedhof


Friedhof des Bartholomäus-Hospitals

ehem. Lage: Wilsdruffer Vorstadt

heutige Lage: Nähe Freiberger Platz 

gegründet: 1473

Säkularisation: Ende 16.Jh. (andere Angabe 19.Jh.?)

Besonderheit: an Spital für Leprakranke angeschlossen, Teilbereich für "Unehrliche" 


Alter Johannisfriedhof

ehem. Lage: vor dem Pirnaischen Tor

heutige Lage: Lignerallee

gegründet: 1571

 

Säkularisation: 1858


1. Jüdischer Friedhof Dresdens

ehem. Lage: Nähe "Jüdenteich" vor dem Kreuztor

heutige Lage: Georgplatz (Rathaus/ St.Petersburger Str.)

gegründet: 11. Jh.(?)

Säkularisation: nach 1349 (Pestjahr und Judenpogrome) Gemeinde ausgelöscht für Jahrhunderte


Altendresdner Friedhof

ehem. Lage: Innere Neustadt

heutige Lage: Dreikönigskirche

gegründet: 1421 (?)

Säkularisation: 1732

Besonderheit: verlegt zu Innerem Neustädter Friedhof durch Kirchenbau


Kadaverplätze

ehem. Lage: rechter Hand des Schwarzen Tores, Neustadt

heutige Lage: in Grünbereich Übergang Albertplatz/Bautzner Strasse (ehemals Albert-Theater)

gegründet: 1748

Säkularisation: 1794

Besonderheit: Friedhöfe des Collegium medico-chirurgicum, "Anatomiefriedhof", ein Folgeplatz lag seit 1794 innerhalb der Befestigungsmauern und wurde bis 1817 genutzt


Rabenstein und Schindanger von Altendresden

ehem. Lage: nahe Alaunplatz/ auf dem Sande


Kadaverplatz am Eliasfriedhof

ehem. Lage: westlich der Friedhofsmauer

heutige Lage: Wohngebiet Bereich Ziegelstrasse 20, Garagenkomplex

gegründet: 1818

Säkularisation: 1865

Besonderheit: Anatomiefriedhof der Chirurgisch-medizinischen Akademie



Über Dresdens Grenzen hinaus

Der "Neue" Stadtfriedhof zu Meißen

ehem. Lage: im Triebischtal am Ende der Neugasse

heutige Lage: Käthe-Kollwitz-Park nähe Porzellanmanufaktur

gegründet: 1536

Säkularisation: 1902

Besonderheit: heute völlig vergessen, für Jahrhunderte größter Friedhof Meißens!