Die (unerforschte?) Meissner Friedhofsgeschichte


Frust und "Heureka" liegen oft nah beieinander...

"Das kann nicht stimmen!" war irgendwann mein Gedanke. Es sind mehrere Friedhöfe, keine Frage- aber ihre Geschichte macht keinen Sinn! Und nirgends ein Hinweis- das Internet schweigt wie ein Grab zur Friedhofsgeschichte Meißens, die Stadtführer-Büchlein geben auch nichts her. Manches ist mir bekannt- das es einen Friedhof direkt hinter der Frauenkirche am Markt gab, dann noch der Friedhof St.Afra. Das der Johannisfriedhof in Meißen Cölln der heute älteste Friedhof der Stadt ist. Und der Bau des Krematoriums beim neuen Stadtfriedhof Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts ist auch bekannt und prägt heute den neuen Friedhof der Frauenkirche.

 

Der Gästeführer in mir sagt: Pest, Hungersnöte, Kriegswirren. Geschichtliche Ereignisse, denen Meißen ständig ausgeliefert war. Eine Stadt dieser Größenordnung- ca. 4000 Einwohner für viele Jahrhunderte, existent seit 929- kommt nicht mit so wenig Begräbnisfläche aus! Es gibt Regeln, wie lange es braucht, bis ein Grab aufgelöst und der Platz neu vergeben werden kann- das dauert etwa 20-25 Jahre, je nach Bodenbeschaffenheit. Muss es schneller gehen gibt es ein Beinhaus, wo die Knochen zwischengelagert werden- aber wo? 

 

Meißen hat ein zusätzliches Problem- um die Stadt herum liegen die kleinen Ortschaften, ehemalige sorbische Siedlungspunkte, die lange Zeit gar nicht zur Stadt gehörten und ihre eigenen Friedhöfe wie z.B. den Wolfgangsfriedhof (Orsteil Obermaisa erst seit 1928 zu Meißen eingemeindet!) betreiben. Auch der schon erwähnte Friedhof in Meißen-Cölln zählt erst später zur Stadtflur- wird also z.B. im 16. Jh. nicht als Friedhof für die Stadt Meissen verfügbar gewesen sein. Es bleiben die Nikolaikirche im Triebischtal mit ihrem kleinen Friedhof (nicht mit dem heutigen Nikolaifriedhof zu verwechseln!) und die Martinskapelle auf dem Plossen.

 

Wegen der Enge und Nähe zur Stadt wird der Friedhof an der Frauenkirche Mitte des 16.Jh. geschlossen- und damit kann die Geschichte nicht mehr stimmen! Wo mit all den Toten hin, die z.B. bei der nächsten Pest anfallen? Wo mit den Soldaten hin, die in den folgenden Jahrhunderten bei Belagerungen der Stadt in den Lazaretten sterben? Und vor allem: Wo bekommen die Bürger ihre geliebten Familiengrüfte, wenn sie den Standort Frauenkirche aufgeben mussten? Wo sind all die typischen Gräber des 19.Jh., die man sonst in so ziemlich jeder sächsischen Kleinstadt findet und die bei der Meissner Industriegeschichte und ihren Gründern nicht so klein gewesen sein werden, das sie alle auf die wenigen, kleinen Friedhöfe passen würden? Vor allem- warum sind sie dann nicht erhalten? Hier fehlen Teile der Geschichte, die eben auch zu einer Stadt dazugehören....

 

Irgendwann kam ich auf die Idee, auf einem alten Stadtplan zu suchen. Gut gedacht, nur leider gibt es kaum einen Plan aus der betreffenden Zeit frei verfügbar- alles Archivware, gut abgeschlossen und meist nur in Meißen vorhanden. Bis auf das eine Buch, das ich neulich in der Bibliothek in der Hand hielt- mit den alten Stadtplänen von Meißen (Meissens alte Stadtpläne. Claus-Dirk Langer).

 

Und siehe da- der Schleier lüftet sich und zusammen mit der ausführlichen "Meißner Geschichte in Daten" von Günter Naumann entsteht das einzig logische Bild zur Friedhofskultur Meißens VOR dem 20.Jh. Plötzlich verändert sich der Blick auf eine Stadt, deren Friedhöfe heutzutage leider wenig von der doch so interessanten "Wiege Sachsens" berichten. Und aus den Fluten der Triebisch taucht plötzlich ein fast 400 Jahre lang genutzter Friedhof auf, der in seinen Ausmaßen alle anderen gleichzeitig existenten Friedhöfe Meißens in den Schatten stellt und der heute völlig vergessen ist! Oder wussten Sie, liebe Meißner, das der "Johannesfriedhof" auf der Altstädter Seite lag und eigentlich GAR NICHTS mit dem heutigen auf der Cöllner Seite zu tun hatte? Jegliche aktuelle Literatur behauptet Anderes oder schweigt gleich komplett dazu- warum nur? Weil es ein Friedhof ist und das ja "nicht so wichtig"? Und an der Stelle sei auch erwähnt, das es mit den anderen Friedhöfen und ihrer Geschichte nicht viel anders aussieht- sie sind da. Und das war es dann. Traurig, aber das kann man zum Glück ein wenig ändern, denn die Quellen sind da- nur eben versteckt.

 

Die Meißner Sepulkralkultur - einst und jetzt

Es wird Zeit, diesen Teil der Meißner Geschichte neu aufzurollen! Und in diesem Zuge wohl gleich die gesamte sehr spannende Meißner Friedhofs- und Grabmalsgeschichte zu erforschen. Es wird eine lange Reise werden- vom Judenberg bis zum Grab einer "verrückten" Wettinerin, geretteten Heiligenknochen und mindestens einem "Staatsbegräbnis". Und das alles versteckt sich in der kleinen, beschaulichen Weinstadt an der Elbe! 

 

 Die Friedhofsgeschichte von Meißen ist ineinander verzahnt- wenn ein alter Friedhof aufgegeben wurde, entstand ein Neuer. Fundorte von Grabsteinen sind manchmal sehr ungewöhnlich, an manch einem Ort denkt niemand mehr daran, das dort einst eine Begräbnisstätte war. Und manch ein Bildhauer aus Dresden, der mir im Zusammenhang mit Grabmalskunst schon unterkam taucht plötzlich wieder auf und zeigt sein Können in der Altstadt von Meißen an Renaissanceportalen. 

 

Dies alles in einem Artikel unterzubringen ist unmöglich, und so wird auch diese Rubrik eine sich nach und nach Entwickelnde sein. Ziel ist auch hier, das bisher wenig Bekannte hervorzuheben, andere Blickwinkel zu entwickeln als die allgemeine Stadtgeschichte es tut. Und manch eine Erschließung neuer Quellen ist so zeitaufwendig, das manches sich erst über Monate entwickelt bevor das Ergebnis hier erscheint. Oftmals bin ich auf die Hilfe anderer Forscher angewiesen, und ich kann jetzt schon sagen, das ich mich auf einen Artikel besonders freue, da er nur durch die Hilfe eines Buchautors möglich geworden ist und dieses Thema eben noch nirgends in der Form betrachtet wurde- soweit mir bekannt...es bleibt also spannend!

 


Von Sklavenhändlern und Brunnenvergiftern- die Geschichte des Jüdischen Friedhofes in Meißen

Juden und Sorben trafen einst in Sachsen und im gesamten slawischen Raum aufeinander- mit Resultaten die man so wohl nicht erwartet, wenn man die Geschichte erst im 13. Jh. betrachtet -obwohl sie schon 929 beginnt und da noch weit entfernt ist von blühendem Handel in Städten. Der mittelalterliche jüdische Friedhof von Meißen bringt einiges ans Licht...

Die verschwundenen Friedhöfe:


Städtischer Begräbnisplatz (=Johannesfriedhof an der Triebisch)

Alter Frauenkirchhof mit Tuchmachertor

Alter Friedhof an der Nikolaikirche


Heutige Friedhöfe:


Wolfgangsfriedhof

Friedhof der Frauenkirche an der Nossener Strasse

St. Afra Kirche mit Friedhof

Nikolaifriedhof (Lerchafriedhof)

St. Martinsfriedhof

Trinitatisfriedhof

Neuer Johannesfriedhof 

Alter Johannesfriedhof Meißen-Cölln


Die Grablege der Wettiner im Dom zu Meissen


Einzelne Grabmäler:


Überraschung: Es ist ein Paul Hempel! Ein völlig unbekanntes Werk des Künstlers hat sich gut versteckt...

Paul Hempel konnte auch ganz groß! Bisher wohl an der Forschung zu ihm vorbeigegangen (aber wer forscht eigentlich außer mir in dieser Form?), gab es heute die Überraschung auf einem Meissner Friedhof...