Barocke Heilmittel- zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie bitte Galenos von Pergamon!

 

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Augusts des Starken Krankheiten, z.B. die Diabetes Typ 2, von seinen Ärzten behandelt wurden? Was wusste man über den menschlichen Körper und was ihn heilt? Können wir davon ausgehen, das man früher einfach nur "weniger" wusste, sich die Medizin aber irgendwie immer linear weiterentwickelt hat- oder haben wir Heutigen vielleicht eine völlig falsche Vorstellung der Medizin der damaligen Zeit?

 

Ich nehme es vorweg- wir modernen Menschen von heute können durch unser über Generationen anerzogenes Weltbild die Sicht der Menschen im 17. und 18. Jh. auf Leben, Krankheit und Tod kaum verstehen und obwohl wir meinen, das barocke Zeitalter vor allem hier in Dresden, gut zu kennen, tappen wir völlig im Dunkeln was diesen nicht ganz unbedeutenden Teil des Lebens angeht. Wir als Gästeführer erzählen von Hochzeiten, Politik, großen Festen und prunkvollen Bauten- vielleicht erwähnen wir noch Kurfürstin Anna, die im 16. Jh. als Heilkundige schon zur Ausnahmeerscheinung gehörte.

 

Wir überlassen es Anderen zu erforschen, wie man den Husten des Kurprinzen kurierte oder die Gicht des Kurfürsten behandelte. Aber wem eigentlich? Medizinhistorikern? Wie viele Menschen lesen wissenschaftliche Publikationen über medizinische Anwendungen oder wie eine Apotheke im 18. Jh. aussah? Ich kann mir nicht vorstellen, das jeder so viel Freude an historischen Schriften hat wie ich- deshalb möchte ich das Thema gern etwas "populärwissenschaftlicher" betrachten- und dementsprechend auf einen winzigen Teil einkürzen, der nur eine geringe Vorstellung der damaligen Lehren geben kann! 

 

Die Antike als Vorbild- und das nicht nur in der Architektur!

 

Das barocke Zeitalter suchte seine Vorbilder in der Antike, das ist uns klar- aber wie weit ging diese Vorbildwirkung im Alltagsleben? Oder sollte die Frage vielmehr lauten- was hatte sich nicht wirklich verändert? Es stecken über 1500 Jahre zwischen den Cäsaren und August dem Starken- ein ganzes sogenanntes Mittelalter, eine Renaissance und davor noch eine lange Übergangszeit, in der sich Europa erstmal finden musste und Länder entstanden. Und trotzdem gibt es etwas, das sich anscheinend nur marginal veränderte- die Heilkunst.

 

Um das Jahr 130 n.Chr. wurde in Pergamon ein Mann geboren, der für eine sehr lange Zeit die Medizin bestimmen sollte- Galenos (deutsch Galen). Als Arzt der Gladiatoren und Cäsaren hatte er direkten Einblick in die Leiden und Verletzungen des menschlichen Körpers. Sein Hauptwerk "Methodus medendi" in 14 Bänden wird noch um das Jahr 1700 die Ausbildung der Ärzte prägen. Und diese Sicht auf den menschlichen Körper ist eine völlig andere als die heutige!

  

Humoralpathologie und Säftelehre

 

Gehen wir vom normalen Krankheitsbild aus- Sie haben eine fiese, aber normale Grippe.

Können Sie sich vorstellen, das Ihr behandelnder Arzt lediglich ihren Puls misst und ihren Harn prüft, sie noch ein wenig befragt, und ihnen dann einen Aderlass verschreibt? Oder ein illustres Pülverchen? Würden Sie einem Arzt vertrauen, der lediglich an Tieren die Anatomie erlernt hat oder aber längst ahnt, das da etwas mit den allgemein gültigen Lehren nicht stimmt, aber nicht wagt, dem großen Galen zu widersprechen? Obwohl dieser nachweislich öfters im völligen Irrtum stand wurde im 18. Jh. der Blutkreislauf des Menschen als neue Erkenntnis noch stark angezweifelt!

 

Bei Galen basiert alles auf der Einteilung in die 4 Elemente und Säfte- und nur, wenn diese im Gleichgewicht sind, ist der Körper gesund. Diese Lehre gab es in Ansätzen schon im Alten Ägypten, und sie sollte sich bis zur Mitte des 19.Jh. halten. Es geht also nicht darum, ob sie vielleicht eine Viruserkrankung haben- diese kleinen Biester waren völlig unbekannt. Ihr Arzt hätte ihnen attestiert, ob ein Element mit seinen Eigenschaften überwiegt oder fehlt- und dann wäre der Grund ihrer Krankheit im: zu feucht, zu trocken, zu heiß oder zu kalt zu suchen. 

 

Man hätte Sie dann auch nicht in dem Sinne mit "Heilmitteln" behandelt, wie wir uns das heute vorstellen. Sie hätten garantiert einen Aderlass über sich ergehen lassen müssen. Aderlass hilft immer. Egal was sie haben. Oder auch mehrere. Und auch bei Blutarmut. Und so starben so einige Patienten schlicht und einfach am Blutverlust.

 

Wenn Sie das Pech hatten und mehrere Ärzte sich nicht ganz einig waren, dann konnten diese in einen reinen Wettstreit verfallen, und die Mischung aus Zwangs-Erbrechen (Purgieren), Aderlass und anderen seltsamen Mitteln hätte sie noch mehr geschwächt.

 

Es würde wohl ein Studium in Medizinhistorie benötigen, um uns Laien verständlich zu machen, wie schwarze Galle, gelbe Galle, Schleim und Blut in Eintracht gebracht werden, aber allein die Heilmittel, auf die ich immer wieder stoße machen mir klar, das ich sehr dankbar dafür bin, im 21. Jh. leben zu dürfen! 

  

Die kurfürstliche Hofapotheke am Dresdner Schloss

 

Zuerst sollte wohl geklärt werden, wo die Arzneien für die kurfürstliche Familie herkamen- denn als Oberhaupt des Landes vertraute man mit Sicherheit keinem einfachen Quacksalber!

 

Die Lage der alten Hofapotheke am Schloss, die bereits seit der Kurfürstin Anna im 16. Jh. existierte und von ihr "zur Linderung der Not der Siechen und Armen" begründet wurde, ist im Stadtplan von 1828 noch erkennbar. Die Anbauten des Schlosses, die heute mit ihrer steinernen Brücke mit dem Taschenbergpalais verbunden sind, gab es damals noch nicht. Die Hofapotheke befand sich also im Bereich des heutigen Schlossgartens. Mehr zu den Unterschieden dieses Planes zum heutigen Erscheinungsbild verrate ich Ihnen ein anderes Mal.

 

Quelle: Heinrich Lesch - Deutsche Fotothek
Quelle: Heinrich Lesch - Deutsche Fotothek

 

Das diese Hofapotheke einen hohen Stellenwert über die Dresdner Grenzen hinaus hatte, zeigt die Geschichte der kurbrandenburgischen Apotheke, die von Kurfürstin Katharina im Jahre 1598 (Ausbruch der Pest) im Lynarschen Apothekenflügel im Cöllner Schloss angelegt wurde. Schon Jahre vorher schickte man den eigenen Hofapotheker (der eher Alchemist und Chemiker war) nach Dresden, um sich das berühmte Vorbild anzusehen und beim Dresdner Kollegen Sebald Schwertzer nicht nur die Arcadischen Künste zu vertiefen, sondern auch zu erfahren, welche Ausstattung man benötigte, um letztendlich Gold zu machen. Kurfürst August von Sachsen unterstützte dieses Unternehmen durch die Anfertigung eines Grundrisses für das geplante Laboratorium in Brandenburg. Kurfürstin Katharina kannte die Hofapotheke in Halle ebenfalls, und so entstand aus den Erkenntnissen heraus die Cöllner Hofapotheke. 

 

Ein kleiner Einblick in die Hofapotheken und ihre "Heilmittel" um 1700


Ich möchte Ihnen meine spannenden Funde nicht vorenthalten und ergänze hier gern weitere Mittelchen in der Zukunft. An dieser Stelle werden es übrigens nur die "Harmlosen" sein, die Ihnen noch nicht die Nackenhaare aufstellen- ein Kapitel über die gruselige Medizin der letzten Jahrhunderte folgt noch...und glauben Sie mir- dieser wird dann eine Warnung für zart Besaitete vorangestellt werden!

 

Doch bevor wir auf die einzelnen Mittel schauen, möchte ich Ihnen die euphorische Meinung des Prosectors des Anatomischen Theaters in Berlin, D. August Schaarschmidt, anno 1750 zum Forschungsstand der Medizin nicht vorenthalten. Er schreibt im Vorwort zu seinem "Verzeichniß der Merkwürdigkeiten, welche bei dem Anatomischen Theater in Berlin befindlich sind" Zitat: 


 "...Was hat nicht die izige Arzenei=Kunst vor einen Vorzug von der in den vorigen Zeiten? Bemerken wir nicht alle Tage Dinge in derselben, welche der Vorwelt Geheimnisse waren? Wird uns nicht täglich eine neue Erkenntniß, ein neuer Nutzen derer Gewaechse und Pflanzen eroefnet, welche sonst unbekant waren? Bekommen wir nicht taeglich einen groeßern Zuwachs in der Chymie?..." 


Nur wenige Jahre nach dem Tod Augusts des Starken wird in Dresden 1748 mit der Gründung des  collegium medico chirurgicum in der Dresdner Neustadt eine neue Zeitrechnung beginnen- und was dies für die Friedhofskultur Dresdens bedeutet, ist eine ganz andere, bisher kaum bekannte Geschichte. Aber Sie ahnen es schon: ich würde es nicht erwähnen, hätte ich nicht schon etwas in Planung... 

 

Mittel mit meist reinigender und Gift vertreibender Wirkung:

 

Aus humoralpathologischer Sicht würden dies "evakuierende" Mittel sein.

 

 Nägelein :

  • Was ist das?: Gartennelken (Caryophyllus hortensis), zum anderen Gewürznelken
  • Anwendungsform: als Sirup, Pulver und Tinktur, oft unter Mischung beider
  • Anwendung bei: "Haupt-Krankheiten (?), schwerer Noth, Schwindel, Schlag, Krampf, ingleichen Beklemmung des Herzens, Ohnmachten, Herzklopfen, Mutter-Weh

Antimonium =Spießglas:

  • Was ist das?: aus dem harten und zerbrechlichen Mineral Antimonium gewonnenes Pulver
  • Anwendungsform: als Purgativum (starke Brechwirkung), welches zeitweise verboten war und erst 1665 als Arzneimittel und nur unter Aufsicht eines Arztes wieder zugelassen wurde. Oder äußerlich.
  • Anwendung bei: Vor allem als sogenannter "Holz-Trank" gegen die "Venus-Seuche" (Syphilis) und gegen juckende Haut (innerlich) ,äußerlich bei Wunden, Geschwüren, Fisteln, Augenerkrankungen und Nasenbluten

Theriack und Mithridat: 

  • Was ist das?: aus der Antike stammende Arzneimischungen. Mithridat wurde nach dem Gift mischenden König von Pontus benannt. Theriak wurde vor allem von den römischen Kaisern gegen Schlangen-und Spinnengift verwendet, der Arzt des Kaisers Nero soll ihn erfunden haben.
  • Anwendungsform: Diese Mittel bestanden aus vielen verschiedenen Pflanzen, Mineralien und auch tierischen Substanzen. Beim Theriak allein waren es über 60 (u.a. Mohnsamen, Meerzwiebeln, Pfeffer und getrocknete Vipern). Noch im 19. Jh. werden die Mittel in pharmakologischen Verzeichnissen aufgeführt, wenn auch mit weniger Zutaten.
  • Anwendung bei: Vergiftung- sie galten als Antidote (Gegengift), später auch bei  Infektionskrankheiten ("Pesten")  

Humoralpathologisch Heiße und trockene Mittel

Bibergeil, Castoreum

 

  • Was ist das?: eine harzartige, bräunliche stark und durchdringend riechende Masse, welche aus  Drüsensäcken von Bibern gewonnen wird, die sich in der Nähe der äußeren Geschlechtsorgane befinden (Männlich und weiblich, wohl zur Territoriumsmarkierung). Es gehört zu den "Animalia", die vor allem bereits im 17. Jh. sehr beliebt waren. Durch die Ernährung der Biber mit Weidenrinde enthält das Sekret einen erhöhten Anteil an Salicylsäure und könnte somit sogar als das "Aspirin" des Mittelalters bezeichnet werden. Der starke Duft wurde zum anderen in der Parfümindustrie eingesetzt und gilt als aphrodisierend. In den USA ist es noch immer als Lebensmittel-Zusatzstoff zugelassen und muß nicht gekennzeichnet werden! In Schweden wird es im "Bäverhojt" (Schnapssorte) verwendet.
  • Anwendung: getrocknet z.B. mit Essig getrunken gegen Blähungen, Krämpfe, Schlucken, tödliche Gifte. Mit Essig und Rosenöl oder auch anderen Kräutern wie Weinraute, Kundelkraut, Engelwurz und Zitwerm zerstoßen in einem Säckchen und in Essig getaucht als Riechmittel für Schlafsüchtige und Pestkranke, um sie wach zu halten. Als Räuchermittel. Innerlich und äußerlich bei Zittern, Krämpfen und nervösen Störungen als wärmendes Mittel.

  

Hier geht es zu einzelnen Heilmitteln und interessanten Zusammenhängen mit der heutigen Zeit:

Die Fontanelle des Herrn von Bünau

 

Zimt

Muskatnuß oder -blüte

Safran

Ingwer

Reis

 

Aderlass

Schröpfen

 

Blutegel