"Sorbisches Mädchen in Hoyerswerdaer Tracht"- eine Postkarte geht um die Welt


Sorbisches Mädchen Postkarte
Selbst nach Australien soll sie es geschafft haben- die kleine Sorbin mit den Gänschen. Aber wer ist sie und wo wurde das Bild aufgenommen? Bild: Steffen Lange

 

Manche Familiengeschichten sind so lustig, das sie für ewig am Leben bleiben- aber leider meist nur innerhalb der Familienerzählungen. Warum ich Ihnen heute so eine Familiengeschichte erzähle hat einen Grund- sie gehört zu einer der bekanntesten und beliebtesten fotografischen Aufnahmen der sorbischen Lausitz, die Sie auch heute noch auf einschlägigen Portalen käuflich erwerben können (natürlich nicht mehr für 20 Pfennig).

 

Es muss wohl im Jahre 1980 (?) gewesen sein, als es hieß, es sollen neue Fotomotive von sorbischen Trachten gemacht werden- und diesmal wurden sie in Schwarzkollm aufgenommen. Also machte man die Kinder schick, zog die Brautgesellschaft an und dann entstand eines der verbreitesten Postkarten-Sets zur sorbischen Kultur. Das kleinste sorbische Mädchen war da gerade erst ca. 4 Jahre alt. Als sie fertig angezogen war, war noch kein Fotograf zu sehen und so dachte sich der Vater der Kleinen, machen wir doch gleich noch eigene Aufnahmen, wenn das Kind schon einmal in der kleinen Tracht steckt. Da die Gänslein gerade so niedlich waren wurden sie einfach mit auf das Bild genommen. 

 

Den Hintergrund bildete das eigene Hoftor des typischen Dreiseithofes- man wartete auf den Fotografen und als dieser dann kam, machte er auch Aufnahmen von dem süßen Kind mit Gänslein. Das war vorher nicht abgesprochen worden- es gab wohl auch keinen "Motivplan" sondern es ging um das Darstellen der Trachten. Danach entstanden die anderen Fotos der Reihe.

 

Hoyerswerdaer Tracht Postkarte Kinder Bild: Steffen Lange
Kinder in Hoyerswerdaer Tracht- manche der Modelle sind noch heute an der Krabatmühle oder innerhalb des sorbischen gelebten Brauchtums aktiv

Als dann das Postkartenset erschien, staunte die Familie nicht schlecht: Ihre Kleine und die Gänslein als eigenes Motiv- und es war wohl die Bildkomposition, die völlig zufällig entstand, die es zu einem so beliebten Motiv machten- oder soll ich jetzt sagen, das meine Schwester so niedlich war, das dies der Grund ist? Das würde ich doch nie tun- das liegt nur an der Tracht, ehrlich!

 

Ja- das ist die Familiengeschichte dahinter: es war die kleine Katrin, meine ältere Schwester, die es als Fotomotiv so weit brachte. Ihr Name wurde nie erwähnt, die Darsteller der Fotos blieben alle "anonym". Allerdings wissen viele Schwarzkollmer ganz genau, wer da wo zu sehen ist!

 

Was es zu einer wirklich lustigen Geschichte macht ist das, was meine Spitschka-Oma dazu zu sagen hatte (und sie hatte manchmal recht tiefgreifende Erkenntnisse und eine ganz eigene "Gelassenheit" und Lebensweisheit):

 

"Jetzt können alle unsere schäbige Dachrinne sehen!"

 

-Sie meinte das Abflussrohr. Das hat sich natürlich nach 1990 in Plastik verwandelt, auch sonst veränderte sich so einiges an Haus und Hof. Das es dieses Bild aber auch noch im Jahre 2020 im Internet käuflich zu erwerben gibt hätte wohl meine Uroma nicht vermutet. Die Gänslein sind Geschichte, die "Kleine Katrin" ist lange nicht mehr so klein- aber die Tracht gibt es immer noch! 

 

Trachtenschneidern in Zeiten des Mangels

Kinderzampern in Hoyerswerdaer Tracht- eine eher ungewöhnliche Kombination der Accessoires... Bild: Susann Wuschko
Kinderzampern in Hoyerswerdaer Tracht- eine eher ungewöhnliche Kombination der Accessoires... Bild: Susann Wuschko

 

Und nicht nur meine Schwester hat die Tracht getragen- sie wurde mir natürlich auch angezogen, hier der bildliche Beweis von einem Kinderzampern mit dem Kindergarten sowie ein Bild von einem Umzug durch Schwarzkollm.

 

Später wurde sie auch ausnahmsweise verliehen und meine Mutter achtete immer sehr auf diese Tracht, da sie eher selten ist. So kleine Kindertrachten gab es in früheren Zeiten nicht- und in der Zeit der DDR waren die Stoffe dafür auch sehr schwer zu bekommen.

 

Heute ist dies kein Problem mehr und die neuen Trachten können in allen Größen geschneidert werden- doch in Zeiten des Mangels hatte meine Mutter die Stoffe auf die typische Art der DDR gewonnen.

 

Sorbische Tracht Bild: Susann Wuschko
Beim Umzug gut geschützt- meine Mutter und ich als "Begleitschutz" für meine Uroma am Webstuhl

 

Meine Uroma war eine sehr große Frau, meine Mutter ist sehr klein. Wenn man eine Tracht von groß auf klein ändert, bleibt ein abgeschnittenes Stück Stoff übrig. Vom Rock und von der Schürze. Somit entstand die kleine Tracht, die eben auch nur für kurze Zeit im Leben eines Mädchens passt. Das es diese kleine Mädchentracht also damals gab ist nur dem Umstand geschuldet, das meine Mutter nähen konnte und kreativ dachte.

 

Das Anziehen der Tracht dauerte immer länger als ein Kind in dem Alter es ertragen kann- meine Mutter wurde kreativ und steckte das Schultertuch in seiner Form gleich fertig auf ein Stück Baumwolle. Somit musste nicht jedes Mal mit Stecknadeln am nörgelnden Kind hantiert werden, auch hatten wir Sicherheitsnadeln an heiklen Stellen um eventuelle Unfälle zu vermeiden. Auch als älteres Kind weiß ich noch wie das Anziehen kein wirklicher Spaß war, zum Glück beherrschte meine Mutter es noch und wir mussten nicht auf die Hilfe anderer "Ankleide-Damen" (die das eben noch konnten) rückgreifen. Es ist eben keine moderne Kleidung sondern eine Tracht aus mehreren Komponenten, die teils erst am Körper aneinander befestigt werden oder eben in Form gesteckt werden.

 

Die Tracht aus der Truhe- wie erhält man Tradition?

Viele Jahre schlummerte diese kleine Tracht in passender Luftatmosphäre und Staubgeschützt. Dann kam es, das ich meinen Kollegen vom Club Dresdner Gästeführer die Krabatmühle und das sorbische Brauchtum näher bringen wollte. 

 

So kam die Tracht wieder ans Tageslicht, eine alte Puppe musste als Ersatz herhalten und die GästeführerInnen bekamen die Chance, die Stoffe und einzelnen Teile auch einmal in die Hand zu nehmen. Meist sieht man diese ja nur auf Bildern oder hinter Glas in Museen, hier konnten die Dresdner einmal ganz neugierig sein und die Tradition hautnah erleben.

  

Damit auch Sie eine Vorstellung von den Teilen der Tracht bekommen und wie ihre Details heute, nach all den Jahren aussehen, gibt es ein paar Fotos davon. Die grünen Müffchen mit Perlen bestickt sind auf den Fotos nicht in Verwendung und gehören zu den Trachten der etwas größeren Mädchen, sind aber ein typisches Accessoire der Hoyerswerdaer Tracht wenn es etwas kühler ist.

 

Der gewebte weiße Untergrund, den man auf einigen Bildern sieht ist übrigens auch historisch- es ist die alte Brautdecke meiner Uroma, die es wohl auf über 100 Jahre bringen dürfte und auch heute noch in Ehren, allerdings auch in Verwendung, gehalten wird . Einige Stoffe der Tracht sind ebenso mindestens 80 Jahre alt. 

 

Ob diese Tracht jemals wieder getragen wird ist angesichts der neuen Trachten, die nun viel verbreiteter sind, auch fraglich. Es ist nicht mehr nötig, eine alte "Truhentracht" zu verwenden und manchmal ist es für die alten Stoffe auch besser, sie in Ehren zu halten!