Sorbische Sagen aus dem Land des Krabat


Sorbische Sagen sind mehr als nur Krabat und Mittagsfrau. Um dieses weite Feld der Sagen etwas bekannter zu machen, möchte ich Ihnen auf meiner Seite auch gern einige nicht so bekannte Erzählungen der Region näherbringen, der Schwerpunkt wird auf dem Gebiet Hoyerswerda und umliegenden Dörfern und dem Wirkungsbereich des guten sorbischen Zauberers Krabat liegen. Schnell werden Sie merken, worum es mir dabei wirklich geht: die Herkunft der Sagen und ob es vielleicht eine ganz reale, viel logischere Erklärung für etwas gibt, das sich so manch Einer früher einfach nicht erklären konnte.

 

Dieses Unerklärbare führte letzten Endes genau zu der Sage, die unsere Region heute so prägt: Der Krabat-Sage in all ihren Variationen. Viel Spaß beim Entdecken der etwas unbekannteren Sagen und Bräuche der Sorben...

  


Die Frau des Scharfrichters zu Hoyerswerda


 

Zuerst geht es direkt in die Stadtgeschichte von Hoyerswerda. Wo die Dame lebte, um die es heute geht, verrate ich Ihnen in diesem Artikel.

 

Den Menschen, die aus dem Raster des sozialen Umfeldes herausfallen-die anders sind- wurden schon immer unerklärliche Dinge nachgesagt. In diesem Artikel geht es nun speziell um die Frau des Hoyerswerdaer Scharfrichters und zwei Erzählungen zu ihr, die ich im Buch:  Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Gesammelt und nacherzählt von Edmund Veckenstedt. Graz 1880 fand. 

 

 I.

"Eine Scharfrichterfrau in Hoyerswerda wusste Alles, was geschah, wenn sie es auch nicht gesehen hatte . So trieb einst ein Mann seine Kühe auf ihren Acker. Als die Kühe den Acker betraten, schlug es gerade halb zwölf Uhr, als sie die Weide verließen, schlug es zwölf . Am andern Tage fragte die Scharfrichterfrau den betreffenden Mann , wie er dazu komme, bei ihr die Kühe auf die Weide zu treiben? Der Mann bestritt, das getan zu haben, aber die Scharfrichterfrau gab ihm alle näheren Umstände so genau an, das alles Leugnen nichts half." 

 

II.

"In Hoyerswerda hatte einst die Frau eines Fleischers für ihren Mann zu einer Reise auf das Land alles zurecht gemacht. Sie hatte ihm auch Geld in die Rocktasche gesteckt, damit er dafür Vieh kaufe. Darauf holte sie ihn vom Schlachthause in die Stube. Als Mann und Frau in die Stube traten, fand es sich, dass das Geld gestohlen war. Die Frau ging sogleich zu einer Scharfrichterfrau; man wusste nämlich, dass diese mehr konnte, als Brod essen. Die Frau gab ihr allerlei Kräuter an, welche sie auf dem Herde verbrennen sollte. Sei dies geschehen, so müsse der, welcher das Geld gestohlen habe, es wiederbringen, selbst wenn Thür und Thor verschlossen wären. Die Frau des Fleischers ging nach Hause, verschloss alle Thüren und verbrannte darauf die betreffenden Kräuter. Es währte auch nicht lange, so klopfte es heftig an die Thür. Die Frau öffnete jedoch nicht. Da kam ihre Magd über den Zaun gekrochen und brachte ihr das Geld: dieselbe sagte , sie habe das Geld gestohlen , müsse es jetzt aber zurückbringen."

 


Der tote Mann im Weißkollmer Forst


Weißkollm ist sozusagen das Gegenstück zu Schwarzkollm. Erst seit dem 18. Jh. tragen die Orte ihre Namenspräfixe Schwarz- und Weiß-, davor wurden beide Orte als Colm (sorb. "Hügel") bezeichnet. Der Ort liegt heute inmitten der Tagebaufolgelandschaft mit ihren Seen, die spezielle Stelle, um die es in der folgenden Erzählung geht, ist sogar recht eindeutig festzulegen und führt zu einem Steinkreuz, für dessen Ursprung es bisher nur eine vage Erzählung gibt und welches heute immer noch in Weißkollm zu finden ist. Solche "Sühnekreuze" wurden errichtet, wenn an einem Weg (meist an Kreuzungen) ein Mord geschah, oder- und das war weit öfters der Fall- ein Duell blutig endete. Es konnte sich auch um einfache Wegkreuze handeln, doch diese sollen hier und heute einmal ausgeschlossen sein. Alle Details zu diesem seltenen Doppelkreuz finden Sie in der Quelle unter folgendem Zitat.

 

"Im Park des Rittergutes, an der alten, jetzt aufgegebenen Verbindungsstraße Bautzen-Spremberg. Ein eigenartiges Doppelkreuz aus Sandstein, wie es sich sonst nirgends wieder findet. Maße: Höhe = 245cm. unterer Arm 78cm, oberer 50cm breit. Die Beschaffenheit des Kreuzes läßt darauf schließen, daß es aus neuerer Zeit stammt und vielleicht an die Stelle eines alten, verwitterten Kreuzes gesezt worden ist. Es soll an ein tödlich ausgegangenes Duell erinnern. (Herr 1929)" (Quelle: suehnekreuz.de

 

Wilibald von Schulenburg führte mich auf die Spur des "Toten Mannes" von Weißkollm, und vielleicht war es gerade der Umstand, wie er von der Sage erfuhr, der mich als Dorfkind mit Waldbetriebs-Grundwissen stutzig machte...

 

Es gibt bisher anscheinend keine Zusammenführung dieser beiden Geschichten, und so bleibt nur der Vergleich der direkten Ortsangaben. Beachtet man die früheren Strassenführungen und die Details, scheint es aber durchaus logisch, das die Erwähnung einer "Toter-Mann-Stelle" bei Weißkollm und das heutige, recht spät entstandene Doppelkreuz auf ein und dieselbe Wurzel zurückführen. Kunsthistorisch und anhand der Nachweise ist das Kreuz wohl eher nach 1880 entstanden und in den Bereich der "Neogotik" einzuordnen, somit sollte man auch mit der Darstellung des Schwertes daran vorsichtig sein, denn dies kann den wahren Ursprung in diesem Fall sogar verfälschen! 

 

Ob es nun ein tödliches Duell war oder ein Überfall, wie er oft als sagenhafter Ursprung bei diversen Steinkreuzen zu finden ist, könnte durch die Erklärung Schulenburgs sogar gelöst werden... doch lesen Sie selbst seine "Fußnote" zu folgendem Brauch:

 

"Wenn jemand irgendwo erschlagen war, haben die Vorübergehenden Zweige auf die Stelle geworfen."

 

"Eine solche Stelle heißt "toter Mann". Einen Toten Mann sah ich (1880) in freundlicher Begleitung des Försters H. Haiduschka in der herrschaftlich Weißkolmer Forst. Er liegt am Kreuzwege von Burghammer nach Weißkolm und von Riegel nach Geißlitz. Reisig und Zweige waren von den Vorübergehenden hingeworfen und bildeten den Grabhügel. Ein Fuhrmann hatte einen großen Würfel Schlacke (aus dem Eisenwerk zu Burghammer, wie sie in der Umgegend zum Bauen verwendet werden) hinzugefügt. Es heißt: vor hundert Jahren war ein reicher Schwarzviehhändler in Weißkolm, der wollte noch spät abends nach Burghammer. Das erfuhren Mörder und lauerten ihm am Kreuzweg auf. Um Mitternacht kam jemand. Den erschlugen sie und fanden nur drei Pfennige bei ihm, denn es war ein armer Handwerksbursche. Der reiche Schweinehändler aber hatte den Weg geändert und war nach Spremberg gegangen. Darum wirft noch jetzt ein jeder Reis auf die Stelle."

 

Den Brauch des Reisig hinwerfens findet man auch andernorts und es ist eine eigenständige Handlung, die ich bisher nie im Zusammenhang mit Sühne-oder Mordkreuzen fand. Auch die Erwähnung des "Schlackesteines" ist sehr interessant- denn es wird wohl keine Schlacke gewesen sein, die da lag...

Warum? Schulenburg sagt selbst, das diese Steine zum Bauen verwendet wurden- das Abfallprodukt eines Eisenhammers wurde dafür aber nicht verwendet... es dürfte sich um einen ganz speziellen Stein handeln, der mich selbst vor kurzem näher beschäftigte und auch als "Schlacke" gedeutet worden war. Es handelt sich um Raseneisenerz, welches in der Lausitz in der Erde zu finden ist und je nach Eisengehalt eben von genau jenen Eisenhämmern verarbeitet wurde oder aber, bei geringerem Eisengehalt, zum Bauen. Schulenburg hatte wahrscheinlich, wie so viele von uns, noch nie einen solchen "Eisenstein" gesehen. Und wenn ich ganz ehrlich bin klingt die ganze Geschichte für mich so als hätte der Förster unserem lieben Schulenburg einen Bären aufgebunden, denn:

 

Reisig und Zweige an den Wegrand geworfen findet man auch noch heute- wenn der Wald gelichtet wird. Das anfallende Grün wird auf einem Stapel am Wegesrand aufgeworfen, um es später abzuholen. Sollten die Sorben etwa all die Jahrhunderte gar keiner Morde gedacht haben sondern ganz lapidar Reisig an gut erreichbaren Wegkreuzungen gesammelt haben- so, wie wir es heute auch noch tun? Und der behauene "Eisenstein" lag einfach irgendwo auf dem Weg und wurde dort hingeworfen, den konnte man dann auch abholen und verwenden? Dies wäre dann wohl die un-mystische Version der Geschichte, von der wohl nie ein Herr von Schulenburg berichtet hätte... Da die ganze Geschichte des "Duells" auch nicht so wirklich erklärbar ist und das Kreuz nach 1880 entstand, darf man sich wohl fragen, wer hier wen zu der Errichtung eines "Sühnekreuzes" inspirierte und wieviel Wahrheit wirklich hinter all dem steckt. Wahrheit und Sage liegen oft ganz nah beieinander.

 


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