Marzana, Zima, Morena - den Winter austreiben (oder Hexen verbrennen?)

Chodojtypalenje - das Hexenbrennen

Keine Sage, dafür lebendig gelebtes Brauchtum: Jedes Jahr verbrennen die Sorben am 30.4. ihre Hexen. Sie werden in manchem Dorf in einer Prozession zum Feuer außerhalb des Ortes  getragen, ihnen wird der Prozess gemacht- sie sind an allem schuld, ob Scheunenbrand oder Schlechtes Wetter- und dann wird die Böse Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt! Die Sorben sind ein sehr traditionelles und konsequentes Volk, das an alten Strukturen festhält, wie Sie sehen. Einzig beruhigend an diesem Brauch ist es, das die Hexe nur eine Strohpuppe in alter Kleidung ist!

 

Gern wird dieser Brauch immer wieder- fälschlicherweise- mit den Osterfeuern in Zusammenhang gebracht. Sicherlich ist der Urcharakter des Feuers und der Erneuerung dabei ähnlich- doch das, was da in so manch einem sorbischen Dorf passiert hat nun wirklich nichts mit Prozession im Sinne von Christi Auferstehung zu tun, wie das Osterfeuer es seit vielen Jahrhunderten ist. Die Tradition muss hier am Punkt des Christlich vs. Heidnisch klar getrennt werden- bei den Sorben wurde die Bedeutung dieses Feuerrituals NIE christianisiert! Das ist der entscheidende Unterschied. Man hat hier eher das Gefühl, das diese Tradition aus der guten alten Hexenverfolgung entstanden ist- die Begeisterung, eine Hexe zu verbrennen, steht im Vordergrund, nicht das reinigende Feuer der Erneuerung! Es gibt kein einziges Element innerhalb dieses Rituals, das eine christliche Überformung auch nur andeuten würde- abgesehen von der Geschichte mit der Hexenverfolgung an sich, aber das ist wohl ein anderes Thema.  

 

Ist doch klar: Walpurgis lässt grüßen!

 

Auffällig auch: Erst Ende des 18. Jahrhunderts wird das Hexenbrennen bei den Sorben in der Literatur erwähnt- die letzte Hexe wurde in Sachsen 1689 verbrannt. All die Jahrhunderte brannten die Hexen ganz real- ist es eine neue Rückbesinnung auf alte Traditionen, die den Brauch wieder auferstehen lässt oder die Übernahme der alten "Walpurgisbräuche" mit dem Walpurgisfeuer? So wie im Harz und anderen Gegenden? Gibt es überhaupt einen "göttlichen" Ursprung im slawischen Raum? Alles deutet doch auf die Walpurgistradition hin... 

 

 

Hexenbrennen in der Oberlausitz Bild: Susann Wuschko

Und trotzdem habe ich als Sorbin nicht das Gefühl, das dies der Ursprung ist. Walpurgis war eine Heilige. Also Katholisch. Was haben die zur damaligen Zeit meist protestantischen Sorben mit einer katholischen angelsächsischen Heiligen aus dem 8. Jahrhundert am Hut? Es gab auch keine Zeitung, die die Nachricht von solchen "neuen Bräuchen", die damals als Aberglaube verschrien waren bis in die letzten sorbischen Dörfer trug. Eine Deutung in die Richtung, das da was NEUES kreiert wurde macht einfach wenig Sinn, wenn man die Umstände betrachtet- und Goethes Faust war wohl auch nicht auf dem Tisch des Bürgermeisters als Inspiration für touristische Neuorientierung zu finden. Es ist auch noch nicht die Zeit in der viele deutsche Siedler als Neuankömmlinge in die unwirtliche Gegend ziehen- der Tagebau, die Industrie entstehen erst im 19. Jahrhundert. In diesem Landstrich gab es nichts, was neues Denken anziehen könnte- und es war auch nicht angestrebt. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, das es dann erst erwähnt wird, weil es IMMERNOCH da ist und in seiner Art an die realen Hexenverbrennungen erinnert. 

 

Der Ursprung des Hexenbrennens muss dort gesucht werden, wo die Sorben ehemals herkamen- im slawischen Raum. Nur, weil es keine Berichte davon gibt, heißt dies nicht, das es nicht in den Dörfern gelebt wurde. Nur, wenn ein Historiker es als wichtig genug empfand wurde es notiert- wenn dieser Brauch so selbstverständlich war, das es nichts Außergewöhnliches für die Dorfgemeinschaften war- wenn gar nicht klar war, das dies 100km weiter gar nicht so passiert, dann wurde es auch Nirgends hervorgehoben. Die Welt war sehr viel kleiner für die Bewohner der sorbischen Heide-und Teichlandschaft und Kamenz war eine Tagesreise entfernt- Dresden sahen die wenigsten Sachsen zu ihrer Lebzeit. 

  

Und siehe da- es finden sich reichlich Hinweise, teils mit verblüffenden Übereinstimmungen in den Details der "Prozessionen", dem "aus dem Ort tragen", dem Verbrennen der alten Gestalt der Göttin Morena. Das Hexenbrennen basiert im slawischen Urglauben- in Polen nachweisbar bis in das 15.Jh.- und im Grundglauben so heidnisch, das alle Parallelen mit den Ursprüngen von Walpurgis und Osterfeuer logisch sind, aber eben nicht vermischt werden dürfen. Das Hexenbrennen in der (sorbischen) Oberlausitz ist ein eigenständiger, ursprünglich slawischer, "heidnischer" Brauch. Keine "Kopie" westlicher, christlich überformter Bräuche, kein auf Heilige übertragenes Konzept der Anpassung- es ist heute noch genauso "Heidnisch" wie vor vielen Jahrhunderten- mit der Anpassung des Datum vom 31.3. (Tag-und-Nacht-Gleiche) zum 30.4. (Walpurgisnacht). Wann die Anpassung geschah wäre interessant- kann aber über Jahrhunderte entstanden sein, als langsam die "heidnischen" Urbräuche im westlichen Europa zusammenflossen und ein Dorf nach dem anderen den späteren Termin übernahm. Westlicher und Slawischer Urglaube flossen mit Sicherheit zusammen, durch die Abschottung der Sorben bis zu einem gewissen Grad konnten hier allerdings Ursprünge erhalten bleiben, die eben nicht westlich-heidnisch begründet sind. Und das macht wohl heute diese Inselfunktion des sorbischen Hexenbrennens aus, das anders ist als die vergleichbaren Rituale der Mai-und Osterfeuer! 

 

Ursprüngliche Osteuropäische Göttinnen

 

Marzana: "polnischer Name für die Göttin von Winter und Tod, die in Russland Marena genannt wurde. Jeden Frühling wurde ein Bildnis der "Alten Frau Winter" durch das Dorf getragen und unter allgemeinem Freudengeschri aus der Stadt geworfen." (Monaghan)

 

Zima: Für die Masuren die Mutter des Winters. Die Feierlichkeiten ähnelten denen für die Marzana in Polen....

 

Morena: weibliche Gottheit der slawischen Mythologie, die sowohl Fruchtbarkeit aber auch Winter, Nacht und Tod bringt. Als Junge Göttin ist sie die Mara, Tochter des Donnergottes Perun und Göttin Mokosch. Sie vereinigt sich in der slawischen Mythlogie jeden Frühling mit ihrem Bruder Jarilo und entfesselt die Fruchtbarkeit. Da ihr Jarilo aber untreu ist sollen ihre Brüder ihn töten. Sie wird zur alten verdorrten Gestalt, die am Abend der Tag-und-Nacht-Gleiche mit Verbrennungen und ähnlichen Ritualen verabschiedet wird. In einigen Orten Ostmitteleuropas wird alljährlich eine in ein altes Kleid gehüllte Strohpuppe, die Morena, in einer Prozession herumgetragen und danach verbrannt oder ins Wasser geworfen. Eine der ersten Nachweise zu diesem Brauch in Polen findet sich am Ende des 15. Jahrhunderts bei Johannes Longinus. 

 

Morena? Nie gehört...

 

Ein kleines Problem gibt es dabei allerdings: den Sorben ist nicht wirklich klar, das sie damit eigentlich das Ritual einer Göttinnen-Verbrennung durchführen. Wieder wurde aus der geehrten Göttin eine Hexe- jeglicher Glauben an Reinigung, göttliches Feuer und Überwindung von Nacht und Tod sind verloren gegangen. Übrig blieb ein Brauch ohne göttliches "Ritual"- völlig ungefährlich für die christliche Religion. Volksbelustigung. Wenn die Sorben schon nicht christlich überformte Bräuche annehmen dann lässt man ihnen wenigstens die leere Hülle. Vielleicht wird die Zukunft etwas mehr Bewusstsein für die Hintergründe solcher Bräuche bringen und das Wort RITUAL nicht mehr mit negativer Deutung belastet sein.